Als wenn es nichts zu sagen gäbe

Wieder an die Arbeit! Mit Mühe und Beharrlichkeit und Dummheit

Es war einmal ein Sommer, der ließ nicht, wie so viele Sommer vor ihm, ein milderndes Loch aufgehen, in dem Disharmonien eine Zeit lang ganz einfach verschwanden. Es war ein in jeder Hinsicht unerträglich überhitzter Sommer, in dem aus Disharmonien Brandherde und schließlich Brände wurden.

Es war einmal eine Philosophin, die unterdessen für sich selbst zu sorgen hatte und dafür, dass Ideale im Falschen nicht unideale Verhältnisse bewirken oder vertiefen oder verfestigen oder verkennen.

Seither sind diese Verhältnisse nicht idealer geworden; das private, gesellschaftliche und politische Sommerloch, die Zeit zum Durchatmen, ist ausgefallen; deshalb für eine Weile auch mein Projekt der Arbeitsvermessung.

Ich sehe den gewaltigen Widerspruch in dieser Rechtfertigung, der als solcher aber immerhin ganz und gar zeitgemäß ist und den ich nun endlich wieder in die Hände nehmen kann: als Werkstück, an dem Arbeit sich ausgezeichnet vermessen lässt.

An ihm nämlich und an der Komplexität, mit der er verschwistert daherkommt, wird sich mein Projekt – die Philosophin nimmt ihre Verantwortung endlich wieder wahr! – weiter abarbeiten; immer vor der jedem Philosophieren zugrundeliegenden Überzeugung, dass die richtige Frage schon die Antwort auf sich selber enthält. Folgerichtig enthält also die unzweideutige Beschreibung des Widerspruchs dessen unzweideutige Lösung. Wo jedoch die Mehrdeutigkeit die Verhältnisse verwaltet, ist Folgerichtigkeit gerade nicht lieferbar; auch, weil weder Folgen absehbar sind, noch Richtigkeit qualifiziert werden könnte. Philosophie und Welt sind auch in umgekehrter Reihenfolge kompliziert. Das tut mir leid; und deshalb bin ich ja da!

Übrig bleibt – als Aufgabe – die Beschreibung; so notwendig wie redlich, so offen wie bestimmt.

Und die Frage, was das alles mit Arbeit zu tun hat, wo die Debatte um sie gegenwärtig von anderen, noch nicht unter Kontrolle gebrachten gesellschaftlichen Bränden überleuchtet wird, während aus verschiedenen Richtungen kommende politische Winde diese Feuer immer weiter anfachen. Puh.

Auch hier steckt die Antwort in der Frage; sie lautet: Alles oder Nichts. Das ist schließlich auch die Frage, die wir an Arbeit zu stellen haben. Wenn wir meinen, dass Arbeit Ort gesellschaftlicher Verteilungskämpfe, aber auch sozialer Kooperation, Integration und Teilhabe ist und deshalb genau hier gesellschaftlicher Frieden gemacht, verhandelt oder gebrochen wird, müssen wir sie zum Zwecke des Erhalts dieses Friedens verstehen und dann gestalten. Und wenn wir meinen, dass Arbeit gerade das nicht oder zumindest etwas weniger als das ist, müssen wir sie noch viel dringender verstehen, um ihre Rolle den sich wandelnden Konstellationen entsprechend (neu) zu besetzen.

Wo diese Verteilungskämpfe in einem der reichsten Länder der Welt gerade blutig ausgetragen werden; wo die, die vorgeblich für das Gemeinsame streiten, Bedürftige und Bedürftigkeiten gegeneinander ausspielen; wo es statt um die Sache nur noch um Stärke geht; wo vielfach eine von vielen Menschen (noch) dringend benötigte Eindeutigkeit der Welt und ihrer Bezüge ausrangiert und durch eine noch nicht wirklich aneignungsfähige Form von Komplexität ersetzt wird: Dort – hier, genau jetzt – ist und bleibt es Zeit dafür.

Und weil es so ist, dass, wenn der Buchmensch mit seinen Umtrieben auf dem Buckel spazieren geht, ihm wirklich immer ein ganz und gar passendes Buch vor die Füße fliegt und ihn zu Fall oder zum Fliegen bringt; weil das so ist, möchte ich mit meiner kürzlichen, anstößigen Bekanntschaft mit Robert Seethalers Trafikanten und einem mit diesem eng verbundenen gewissen Prof. Freud hier gewissermaßen programmatisch angeben:

„Wir kommen nicht auf die Welt, um Antworten zu finden, sondern um Fragen zu stellen. Man tapst sozusagen in einer immerwährenden Dunkelheit herum, und nur mit viel Glück sieht man manchmal ein Lichtlein aufflammen. Und nur mit viel Mühe oder Beharrlichkeit oder Dummheit oder am besten mit allem zusammen kann man hie und da selber ein Zeichen setzen!“ (Robert Seethaler: Der Trafikant. Kein & Aber 2018. S. 223 f.)

So dann!

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