Ausgeharzt II: Nicht bedingungslos, aber solidarisch: Berlin versucht das Grundeinkommen

Vor einigen Tagen hat der Berliner Senat nach einem lange diskutierten Vorschlag des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) das Solidarische Grundeinkommen (SGE) beschlossen.

Zur Pressemitteilung der Senatskanzlei zum Beschluss des SGE

In dem zunächst auf fünf Jahre angelegten Modellprojekt zur Neugestaltung der Grundsicherung können ab August langzeitarbeitslosen Menschen Arbeitsstellen vor allem im „gemeinwohlorientierten Bereich“ als Alternative zum Hartz IV-Bezug angeboten werden:

Für Personen, die zwischen einem und drei Jahren arbeitslos sind, sollen zunächst bis zu 1000 Stellen entstehen, die nach Mindest- oder Tariflohn vergütet und sozialversicherungspflichtig sind. Dazu gibt es Coachings und Qualifizierungsmaßnahmen; und sollte der Übergang in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt nach Ablauf der fünfjährigen Befristung nicht  gelungen sein, verspricht das Programm eine unbefristete Weiterbeschäftigung.

Bei den Stellen wird es sich den Plänen nach um solche handeln, die mit Blick auf das Gemeinwohl dringend gebraucht, aus Finanzierungsgründen bisher aber nicht angeboten werden konnten, ausdrücklich also um zusätzliche Arbeit: Mobilitätsbegleitung im ÖPNV, Betreuungshilfe in Kitas, Organisationshilfe in Schulen und Horten, Besuchsdienste in Pflegeeinrichtungen, Unterstützung für obdachlose Menschen oder Quartiershilfe für Wohnungsunternehmen.

Zweifellos sind diese Tätigkeiten gesellschaftlich nützlich; sie entlasten, unterstützen und befördern in verschiedener Hinsicht Teilhabe und Integration. Aber gilt das auch für die Personen selbst, die nach dem SGE-Gesetz beschäftigt sind? Denn das ist sein eigentlicher Anspruch. Und welche soziale Bedeutung hat das SGE, gerade auch angesichts des laufenden gesellschaftlichen Wandels? Weiterlesen

Ausgehartzt I: Warum die Debatte um Hartz IV weg muss von Hartz IV

Der folgende Text ist der 1. Teil einer Beitragsserie zur Vermessung von Nicht-Arbeit: Inspiriert von der aktuellen Debatte um Hartz IV und um die Einführung eines Solidarischen Grundeinkommens möchte ich mich in diesen Texten Schritt für Schritt einer Beschreibung einer zeitgemäßen Form der Grundsicherung annähern; der Form eines sozialen Sicherungssystems, das dem laufenden gesellschaftlichen Wandel und dem Wandel unserer Arbeit entspricht.

 

Es wird Zeit, Anstoß zu erregen in der Debatte um Hartz IV.

Ungehörig mucksmäuschenstill ist es hier in der allerletzten Zeit, wo es zuvor zuweilen unangemessen ideologisch, uninformiert oder bisweilen verstellend klassenkämpferisch zuging. Indes: Für die Zukunft unserer Gesellschaft ist die Auseinandersetzung um die Zukunftsfähigkeit der Instrumente von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik viel zu bedeutsam, als dass sie, bevor sie überhaupt einen Kurs eingeschlagen hat, sogleich wieder den Wind aus ihren Segeln lässt. Alarmierend real ist für uns alle die Gefahr, wieder einmal im Sturm einer industriellen Revolution, die dieses Mal Digitalisierung heißt, gebeutelt zu werden. Und das, wo dieser Prozess unsere Gesellschaft als Ganze verändert, nicht nur in Erwerbsarbeit, sondern gerade auch jenseits und außerhalb von ihr und weit über sie hinaus. Weiterlesen